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Konstruktions­grammatik des Deutschen

Konstruktionsgrammatik des Deutschen

Die neueren Ansätze der Konstruktionsgrammatik (construction grammar) wurden in den letzten Jahren als eine alternative Grammatiktheorie auch im Hinblick auf die Gegenstandssprache Deutsch entwickelt. Leitend für den Ansatz ist, dass grammatische Phänomene mit Blick auf ihr semantisches Potential zu untersuchen sind und allein als Einheiten von Form und Bedeutung hinreichend bestimmt werden können. Kurz: Syntax emergiert aus Semantik. In eigenen Vorarbeiten konnte am Beispiel nonagentiver Konstruktionen (in trad. Terminologie Passivformen im weitesten Sinne) gezeigt werden, wie man einen Kernbereich der Grammatik des Deutschen konstruktionsgrammatisch und sprachgebrauchsbasiert vermessen kann. Leitend war die Hypothese, dass mittels Konstruktionen Wahrnehmungsgegenstandsausschnitte in spezifischer Weise perspektiviert werden. Postuliert wird, dass die Bedeutung von (abstrakten) Konstruktionen in ihrer spezifischen Perspektivität zu suchen ist. Die Ergebnisse der Studie zu nonagentiven Konstruktionen ergänzen zum einen die Erkenntnisse valenzgrammatischer oder allgemein funktionaler Grammatiken und sie eröffnen andere Möglichkeiten in Bezug auf die Modellierung eines Systems von Sprachgebrauchsmustern. Zum zweiten sind sie wegen des operationalisierten Konstruktionsbegriffs und der Auswertung frei zugänglicher maschinenlesbarer Korpora für die Forschung direkt anschlussfähig. Zum dritten legen sie nahe, dass zunächst einzelsprachliche Varietäten in ihrem Gewordensein analysiert und beschrieben werden müssen, um sprachtypologische Arbeiten auf eine solide Basis stellen zu können. Es ist im Gegensatz zu anderen funktionalen grammatischen Zugängen zu Sprache so erstmals möglich, belastbare Aussagen über Gebrauchszusammenhänge und Verteilungsregularitäten von sprachlichen Mustern und Strukturen zu machen. Mit dem innovativen konstruktionsgrammatischen Ansatz können semantische Zusammenhänge zwischen sprachlichen Mustern gegenstands- und beschreibungsadäquat gefasst werden, um sie in einem Konstruktikon, welches als Netzwerk von Konstruktionen zu verstehen ist, zu verorten und grammatisch zu kartieren. So wird es theoretisch und praktisch erstmals möglich, grammatische Analysen im Hinblick besonders auf varietäten-, text-, diskurslinguistische und framesemantische Studien hin zu orientieren.

Prämissen

  • Komplexe grammatische Konstruktionen können im Hinblick auf die ihnen innewohnenden Bedeutungs- und Perspektivierungspotentiale analysiert werden.
  • Kerngebiete der Grammatik des Deutschen können durch Erschließung grammatischer Bezüge und Bedeutungen sprachlicher Muster induktiv aus dem Sprachgebrauch neu formuliert werden.
  • Mit der Annahme konstruktionaler Einheiten als kognitiven Entitäten kann es gelingen, sich aus Konventionen einer Grammatikschreibung zu lösen, die die Regularitäten von Grammatiken synthetischer Sprachen (wie des Lateinischen) als Folie für die Kategorisierung und Analyse von sprachlichen Mustern analytischer Sprachen implizit voraussetzt (Stichwort: Auxiliaritätsdebatte).
  • Konstruktionsgrammatische Analysen dienen als Hypothesengeneratoren für angrenzende Forschungsbereiche (z.B. Varietätenlinguistik, Text- und Diskurslinguistik sowie framesemantische Arbeiten in diachronen und synchronen Zugriffen).

Diese Aspekte und Prämissen motivieren die aktuellen Forschungsarbeiten in Dresden, wobei die Leithypothese, dass über die Analyse der Perspektivität von Konstruktionen deren Bedeutung gegenstands- und beschreibungsadäquat bestimmt werden kann, übernommen wird. Längerfristiges Ziel ist, eine sprachgebrauchsbasierte (Konstruktions-)Grammatik und damit auch ein semantisch motiviertes Konstruktikon zu erarbeiten (alle betreffenden Artikel unter dem Tag #BedeutungsFormPaar), das sensibel ggü. unterschiedlichen Varietäten (historische Sprachstufen, Dia- und Regiolekte, Mehrsprachigkeit) ist.

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